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Freitag, 15. April 2016

Digitale Disruption und die Unfähigkeit der Politik der Antizipation

Selten war ich im Laufe einer politischen Diskussion derart unentschlossen wie gegenwärtig in der Angelegenheit des bedingungslosen Grundeinkommens.
Eigentlich meine ich, dass es absurd ist, wenn der Staat sein Füllhorn äufnet und und es gleichmässig über alle ergiesst. Für benachteiligte Bevölkerungskreise mag das ein Segen sein, aber bei der Vorstellung dem Mittelstand und den Superreichen öffentliche Gelder in den Rachen zu stossen, dreht es mir den Magen.
Hauptargument aber ist aus meiner Sicht die grosse Befürchtung, dass in einem absoluten bürgerlichen Staat das Anliegen des bedingungslosen Grundeinkommens direkt in den Sozialabbau mündet. All das was unsere Vorväter teils blutig und totalem Engagement erkämpft haben, nämlich AHV, IV bis hin zu den Krankenkassensubventionen, würde abgebaut werden wollen. Die Initianten haben bisher keine glaubhaften Argumente vorbringen können, wie man diesem Abbau entgegen wirken könnte. Im Gegenteil, es gibt Stimmen, die das was sich bewährt hat und auf das wir achten sollten, nämlich die Sozialwerke zu sichern, mit dem Grundeinkommen ersetzen wollen. Mit dem Argument, dass die heute aufwändige Verwaltung abgebaut werden könnte. Das würde auch ein Verlust an Arbeitsplätzen bedeuten.

Nun könnte es sein, dass gestern Bundesrat Berset zu meinem Meinungsumschwung wesentlich beigetragen hat. Er hat nämlich fünf Fragen aus der Mitte der Befürworter Antworten gegeben. Siehe hier.
Ich pflücke die Teile heraus, die mein Thema der Digitalen Transformation betreffen und kommentiere sie.


Sehr geehrter Herr Bundesrat Berset, wie soll die Schweiz auf Roboter und Digitalisierung anders reagieren als mit der Einführung eines Grundeinkommens?
Indem wir dem erneuten Strukturwandel offen begegnen, innovative wirtschaftliche Tätigkeiten fördern und die Aus- und Weiterbildung den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts anpassen. Menschen, die im neuen Umfeld keine Arbeit mehr finden, müssen wir gezielt unterstützen – aber nicht bedingungslos. Statt Utopien brauchen wir eine stetige Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Die Schweiz hat bislang alle Phasen wirtschaftlich-technologischer Umbrüche erfolgreich gemeistert. Ich sehe keinen Grund, weshalb ihr das nicht auch in Zukunft gelingen sollte.
Das ist Gesundbeterei. Anpassen reicht doch niemals aus. Es braucht zupackende Politik und nicht eine reaktive. Das ist keine Perspektive im Angesicht dessen, dass auf jeder Verwaltungsebene eben gerade an der Bildung gespart wird. Dabei müsste geklotzt werden, Herr Bundesrat Berset! Rationalisierung, und bei der Digitalen Transformation geht es immer auch darum, geht es um Optimierung der Prozesse im Sinne der Steigerung der Effizienz, der Reduktion der Kosten und der Verkürzung der Wege. Früher stand das Wohl des Menschen im Vordergund, nämlich das gefährliche, Gesundheit bedrohende und anstrengende Arbeit durch Maschinenarbeit ersetzt werden soll. Heute geht es darum, das was vor und das was nach der Maschinenarbeit zu erledigen ist, durch Roboter vornehmen zu lassen. Arbeit im ganz klassischen Sinn in der Produktion wird laufend eliminiert. Zurück bleibt die Nachfrage nach hochqualifizierten Ingenieure. Dieser Paradigmawechsel ist nicht neu, aber er hat an Geschindigkeit zugelegt wegen den bekannten Effekten dank zunehmender Rechnerleistung der Computerchips und der Exploision der Speicherkapazitäten. Die Schweiz wurde zum Dienstleistungsland, das in vielen Bereichen Weltspitze ist, in vielen Bereichen aber auch den Anschluss an die Weltspitze dramatisch verloren hat (Tourismus). Nun sieht man, dass in der Dienstleistung ein ähnlicher Prozess eingesetzt hat wie bei der Produktion. Alleine im Gesundheitswesen verschwindet Arbeit auf allen Stufen und es werden laufend mehr. Nicht bezogen auf die Nettoarbeitszeit, denn durch die demografische Entwicklung gibt es die nächsten zwei Jahrzehnte eher noch mehr Arbeit. Das wiederum erhöht den Druck auf die Rationalisierung der Abläufe an denen intensiv geschraubt wird. Durch die Digitale Disruption werden sich Innovationen durchsetzen, die insgesamt das Gesundheitswesen so wie viele andere Bereiche revolutionieren wird. Überall werden Arbeitsplätze verschwinden. Fragt sich, wo neue geschaffen werden? Da bleibt uns Bundesrat Berset die Antwort schuldig. Kein Wunder, es kennt die Antwort schlicht und einfach niemand. Man kann nur spekulieren. Meine Spekulation geht in Richtung Freizeit. Auch hier haben wir eine Industrialisierung erlebt. Eines aber kann im Freizeitbereich nicht ersetzt werden, nämlich die soziale Interaktion. Im wunderbaren Animationsfilm "Wall-E - Der letzte räumt die Erde auf" wird diese Vision exemplarisch aufgearbeitet.
Lieber Herr Berset, wie begründen Sie die Befürchtung, dass Menschen mit einem bedingungslosen Grundeinkommen aufhören zu arbeiten? 
Klar, nicht alle würden aufhören zu arbeiten. Ich gehe aber davon aus, dass weniger Menschen erwerbstätig wären. Warum soll jemand drei Tage pro Woche einen vielleicht ungeliebten oder sehr anstrengenden Job verrichten, wenn es ohne diesen Job gleichviel Geld gibt? Und wie sollen wir unseren Jugendlichen klarmachen, dass es sich lohnt sich in der Schule anzustrengen, wenn diese wissen, dass man auch ohne Anstrengung über die Runden kommt? Der Arbeitsmarkt besitzt eine starke integrative Kraft mit grossem Wert für unsere Gesellschaft.

Die Nachfrage nach hochqualifizierten Fachkräften wird in den nächsten Jahrzehnten nicht abreissen und damit auch nicht die spannenden Herausforderungen und den damit verbundenen Projekten. Die Ansprüche aber an solche Experten nimmt global zu und gleichzeitig auch die Konkurrenz bei insgesamt endlicher Nachfrage. Damit steigt der Druck auf den Normalverbraucher und damit die Gefahr des Versagens weiter Teile der Bevölkerung. Wie will Bundesrat Berset dieser Bedrohung begegnen? Er muss ihr schon nur deshalb begegnen, weil man die Frage stellen kann. Den Jugendlichen klar machen, dass es sich lohnt eine permanente Bildung für ihr Leben vorzusehen, hat weniger mit der Salärierung zu tun, sondern mit ihren Chancen, ein frei bestimmtes Leben gestalten zu können, wenn sie eben nicht auf 2'500 Franken angewiesen sind. Der Bildungsmarkt ist ein Wachstumsmarkt und er muss gefördert werden. In Anbetracht der fortgesetzten Sparwut der Bürgerlichen, die seit geraumer Zeit Hand anlegen an unser bisher erfolgreiches Bildungssystem, stellt diese Frage die grössere Herausforderung dar als die Finanzierung des bedingungslosen Grundeinkommens.
Lieber Herr Bundesrat, was sagen Sie in 20 Jahren den Medien, wenn das bedingungslose Grundeinkommen eingeführt wird? Wenn wir den Propheten der Digitalisierung glauben, würde mir in 20 Jahren ein Journalisten-Roboter diese Frage stellen. Aber bis dann gibt es wohl auch einen Roboter, der für Alt-Bundesräte Antworten gibt. Im Ernst: Wenn das Schweizer Volk im Jahre 2036 einem bedingungslosen Grundeinkommen zustimmen sollte, dann wäre das wohl eine Reaktion darauf, dass die (Arbeits-)Welt sich in einem beträchtlichen Masse verändert hat. Den Kommentar dazu würde aber selbstverständlich der Bundesrat machen, der dann zuständig ist.
Es gibt absolut keinen Grund, sich lustig über Propheten der Digitalisierung zu machen. Nicht für einen Bundesrat. Man bedenke, vor 10 Jahren wurde behauptet, dass kein Messgerät je im Stande sein würde, Krebs zu diagnostizieren. Es würde dafür immer Spezialisten brauchen. Heute erkennt eine Software Krebszellen genauer als jedes menschliche Auge und darüber hinaus noch weitere, für den Menschen nicht erkennbare Unregelmässigkeiten im Zellgefüge. Die Explosion des Wissens und der Möglichkeiten dank der oder wegen der Digitalen Transformation ist derart gross, dass das Denken eines 7ner Gremiums nicht ausreicht die Folgen ermessen zu können. Man erkennt diesen Umstand an den Antworten dieses leider enttäuschenden Bundesrates, der die Gelegenheit nicht wahrgenommen hat uns zu versichern, dass unsere Regierung keinen Aufwand scheut und jede Form von Scheuklappen ablehnt, die Zukunft jederzeit antizipieren zu wollen. Berset tut aber das Gegenteil davon, wenn er sagt, dass sollte sich das Volk dereinst für ein bedingungsloses Grundeinkommen entscheiden, sich dann der Arbeitsmarkt beträchtlich verändert haben. Der Arbeitsmarkt verändert sich ja heute schon beträchtlich und ich hätte gerne gelesen, was der Bundesrat vorsieht, dieser Tatsache Rechnung zu tragen. Denn wird er sich nicht heute schon mit konkreten Alternativen zum bedingungslosen Grundeinkommen beschäftigen, wird er schlicht zu spät kommen und die Geschichte wird ihn bestrafen. Auch Bundesrat Berset.

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